FLI Microline 16803-65 s/w CCD-Kamera
 



Die richtige Auswahl einer Astro-Kamera ist heutzutage wegen der großen Anzahl an Modellen und Herstellern nicht gerade trivial. Idealerweise sollte man sich vorab gut informieren und die Fachbegriffe sowie deren Bedeutung kennen. (Binning, Sampling, Pixelgröße, Full Well Capacity uvm.)

Folgende Überlegungen sollten dabei im Vorfeld getroffen werden:

- maximales Budget (eventuell mit Filterrad und Filtern)
- favorisierte Aufnahmeobjekte (großflächige Nebel oder eher kleine Galaxien / PN's)
- gekühlte Astro-CCD
oder digitale Spiegelreflexkamera
- monochrom oder Farbe
- Größe des Sensors
- freie Öffnung und Stabilität des Okularauszuges
- Größe der Pixel
- Full Well Capacity
- Kühlleistung
- Anti-Tau Konzept
- Kameragewicht
- Geräuschentwicklung im Betrieb (Lüfter)

 

In erster Linie kommt es darauf an, an welchem(n) Teleskop(en) die zukünftige Kamera letztendlich eingesetzt werden soll. Man muss entscheiden, ob die Kamera passend zum vorhandenen Aufnahmeistrument angeschafft werden soll oder umgekehrt.

In meinem Fall stellte ich bei den den Auswahlkriterien folgende Überlegungen an:

Die neue Kamera sollte auf jeden Fall einen monochromen Chip haben. Ich kannte zwar die Vorteile einer OSC-Kamera (one-shot-cam, bzw. Farbkamera), aber unter meinem lichtverschmutzem Himmel wollte ich auf alle Fälle das Fotografieren mit Schmalbandfiltern (H-alpha, OIII und SII) öfters praktizieren. Das geht zwar prinzipiell auch mit einer Farbkamera, aber die Auflösung ist dann entsprechend verringert.

Als zweites Kriterum betrachtete ich Folgendes:
Das bereits vorhandene Planewave 12.5" CDK kann ein voll korrigiertes Bildfeld von 52mm Durchmesser ausleuchten, der TEC 140 schafft mit dem Original-Flattener sogar 6 x 7 cm. Warum sollte ich also einen Chip wählen, der wesentlich kleiner ist? Das wäre die reine Verschwendung.
Es musste also mindestens ein CCD-Sensor in Kleinbildgröße werden (36 x 24mm).

Schnell stellte ich fest, dass es in dieser Region gar nicht so viel Auswahl gibt. Sehr verbreitet sind in dieser Klasse Kameras mit dem Kodak KAI 11002 Chip. Dieser Sensor hat jedoch den Nachteil, durch seine Interline-Technologie nicht besonders viel Quanteneffizienz aufzuweisen (gerade mal 25% bei H-alpha). Auch die Full Well Capacity von 60.000 e- ist nicht überragend.

Schon besser sah dies bei den Front-Illuminated Chips aus. Während bei Interline-Chips jede zweite Zeile fürs Auslesen des Bildes verwendet wird (Geschwindigkeitsvorteil), steht bei Front-Illuminated-Chips die volle Chip-Fläche für das Sammeln von Licht zur Verfügung. Dies geht natürlich zu Lasten der Download-Geschwindigkeit, aber das spielt bei Belichtungszeiten von etlichen Minuten überhaupt keine Rolle.

Hochempfindliche Back-Illuminated-Chips schieden wegen ihrer relativ großen Pixel, dem Preis sowie dem Etaloning-Effekt prinzipiell aus


FLI ML 16803-65 mit CFW-5-7 Filterrad und Selbstbau-Off-Axis-Guider
(genial konstruiert und perfekt gebaut von Kurt Schneider - nochmals herzlichen Dank an dieser Stelle!)

 
 

Ein weiteres und sehr wichtige Kriterium bei der Auswahl der geeigneten Kamera ist neben der Chip-Größe vor allem die passende Pixelgröße. Hierbei wird das sog. Sampling betrachtet. Dieser "Abbildungsmaßstab" sollte sich grob im Bereich 0.7 - 3 Bogensekunden pro Pixel bewegen. Besonders der untere Wert von ca. 0.7 "/Px sollte bei unseren Seeing-Bedingungen nicht wesentlich unterschritten werden.


Mit folgender Formel kann das Sampling berechnet werden:

Sampling = 3438 x Pixelgröße (in mm) x 60 geteilt durch die Brennweite (in mm)

Heraus kommt ein Samplingwert in der Einheit "Bogensekunde pro Pixel"

Beispiel:
Pixelgröße = 9µm = 0.009mm
Brennweite = 2541mm

ergibt ein Sampling von 0.73 "/ Pixel

Also sollten die Pixel meiner geplanten Kamera auf keinen Fall kleiner als 9 µm sein.

In die engere Wahl kamen dann die großen Front-Illuminated-Chips von Kodak, nämlich der
KAF 09000 mit 12µm Pixeln und der KAF 16803 mit 9 µm Pixeln. Beide Chips sind quadratisch mit einer Kantenlänge von 36.8 mm x 36.8 mm. Die Chipdiagonale ergibt sich zu 52 mm.
Auf Grund der kleineren Pixel und der damit zu erwartenden besseren Auflösung habe ich mich letzendlich für den 16803er Chip entschieden.
Zudem wurde mir aus erfahrener Quelle berichtet, dass das RBI-Handling, also das Eliminieren von Geisterbildern (typisch bei Front-Illuminated-Chips) beim KAF 16803 wesentlich gutmütiger sei.

So, aber welcher Kamerahersteller sollte es nun werden?
Hierbei ist die Auswahl an Herstellern auch übersichtlich, wie sich alsbald herausstellte.

Die amerikanischen Hersteller SBIG, Apogee und FLI (Fingerlakes Instrumentation) haben Kameras mit diesem großen Chip im Programm. Da SBIG mit der neuen STX-Serie zu diesem Zeitpunkt noch nicht liefern konnte und ich zudem auf einen internen Guiderchip verzichten wollte, blieben noch Apogee und FLI als Anbieter übrig.
Preislich gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den vergleichbaren Kameras von Apogee und FLI.
Berichten zugfolge dauert es bei Apogee-Kameras bis zu 45 min, bis die endgültige Chip-Temperatur stabil ist. Bei FLI wird die eingestellte Temperatur bereits nach 5-6min erreicht. Zudem bietet FLI parallel zur Proline-Serie die sog. Microline-Serie an, welche bei nahezu gleicher Leistung wesentlich kleiner und vor allem leichter ausfällt.
Nur die Kühlleistung und damit das Rauschen ist gegenüber der Proline minimal schlechter.
Da in der Microline-Kamera nur ein großer, relativ langsam laufender Lüfter arbeitet (die Proline hat drei relativ kleine Lüfter), ist die Geräuschentwicklung im Betrieb auch entsprechend geringer. Dies ist ein wichtiger Punkt bei einer Balkonsternwarte, da man die Nachtruhe der Nachbarn nicht über die Maßen stören sollte.

Die Würfel waren also gefallen: Es sollte eine FLI ML 16803-65 werden.

Auf Grund des damals günstigen Dollarkurses bestellte ich nach vielen Detailklärungen die Kamera direkt beim Hersteller FLI in USA. Die Korrespondenz mit dem Geschäftsführer lief per e-Mail tadellos ab. Keine einzige Frage (und ich hatte viele Fragen...) blieb unbeantwortet. Ich hatte stets ein sehr gutes Gefühl und letztendlich hat alles wirklich hervorragend geklappt. Die angestrebte Lieferzeit wurde zwar etwas überschritten, aber man muss wissen, dass diese Kameras normalerweise nur auf Bestellung gebaut werden. Man erhält also keine Massenware, sondern eine individuell gefertigte Kamera von hoher Qualität.
Bestätig wird dies durch ein Prüfprotokoll und eine abgearbeitete Checkliste.

 
Die Anschlüsse von links nach rechts:
Spanungsversorgung 12V, externer Triggereingang, USB 2.0-Datenschnittstelle
 

Kameratechnik:

Der CCD-Sensor wird in der FLI-Fertigung sehr genau planparallel zum Gehäuse ausgerichtet um einseitige Unschärfen zu vermeiden. Die Kühlung des großen Chips wird mit einer Triple-TEC (3-stufiges Peltier-Element) vorgenommen. Die Chip-Temperatur sinkt dabei innerhalb etwa 5 min auf -50° unter die Umgebungstemperatur und wird auf +/- 0.1°C genau geregelt.
Sehr wichtig ist hierbei, dass der gekühlte Chip nicht betaut oder gar vereist. FLI setzt daher im Gegensatz zu einigen anderen Anbietern auf die hermetische Abdichtung des Gehäuses in Kombination mit einer Edelgasfüllung. Es müssen also keine Trockenpatronen getauscht werden. In der Praxis hatte ich tatsächlich noch keinerlei Probleme mit Betauung.

Ein generelles Problem bei Front-Illuminated-CCD's ist das Aufteten von Ghost-Images
(RBI - residual bulk image) . Dabei können sich noch Restladungen vom Vorgängerbild in den einzelnen Pixeln befinden, welche dann bei der nächsten Aufnahme als Geisterbild erscheinen (sehr vereinfacht ausgedrückt).
Aus diesem Grund fluten Infrarot-Dioden im FLI-Kameragehäuse automatisch alle Pixel nach jeder Aufnahme mit Licht. Danach werden die Ladungen wieder komplett ausgelesen und gelöscht. Je nach Bedarf kann man die Anzahl der Flutungs-Durchgänge einstellen. Normalerweise dauert dies ca. 1 Minute.

Da Front-Illuminated-Chips keinen elektronischen Shutter haben, muss ein mechanischer Kamera-Verschluss verwendet werden. In der ML 16803 ist ein 65 mm großer 6-Blatt-Shutter eingebaut, der eine minimale Öffnungszeit von ca. 40 ms hat. Es ist also mit dieser Kamera nicht möglich, kürzere Aufnahmen als 40 ms z.B. für Flats aufzunehmen. Damit das Öffnen und Schließen des Shutters nicht in Form eines typischen "Sterns" in den Flats auftaucht, müssen diese mind. 3-4 Sekunden lang belichtet werden. Das Licht für die Flats muss daher entsprechend abgedämpft werden.

 
65 mm - Shutter und Blick auf den CCD-Sensor
 
 

Als Kamerasteuerung nutze ich MaxIm DL, welches die FLI-Kameras vollständig und sehr komfortabel unterstützt. Es gibt im Betrieb keinerlei Probleme. Auch die Installation der Kameratreiber (USB 2.0) lief vollkommen komplikationslos ab.

Passend zu den Kameras bietet FLI eine ganze Reihe von sehr hochwertigen Filterrädern an. Ich entschied mich für ein CFW-5-7. Dieses aus dem Vollen gefräste Filterrad kann 7 Stück ungefasste 50 x 50 mm Filter aufnehmen. Die Filter selbst bezog ich von Fa. Baader-Planetarium und zwar:
Luminaz, Rot, Grün, Blau, H-alpha (7 nm HWB), OIII (8.5 nm HWB) und SII (8 nm HWB)

Der Antrieb des Filtereinsatzes wird über einen Kettenantrieb realisiert. Das Rad selbst ist 2-fach kugelgelagert. Die Positionsbestimmung wird nicht über eine Infrarot-Diode , sondern über einen Hall-Sensor magnetisch erfasst. Dadurch wird verhindert, dass unerwünschtes IR-Licht auf den CCD-Sensor fallen könnte. Die mechanische Ausführung des Filterrades ist extrem stabil und die Funktion tadellos. Das Filterrad wird von MaxIm DL erkannt und kann dadurch vollautomatisch gesteuert werden.

 
CFW-5-7 Filterrad von innen
 
 

FLI-Service:
Bei einem Kauf direkt in den USA geht man immer ein gewisses Risiko ein, weil man nicht mal eben zum Händler hinfahren kann, wenn etwas nicht funktioniert oder man anderweitig Rat und Unterstützung benötigt.
Meine Kamera zeigte zu Beginn an auf den Aufnahmen immer an der selben Stelle ein diffuses Artefakt in Form eines unscharfen, dunklen Streifens. Da dieser Fehler auf sämtlichen Aufnahmen vorkam, suchte ich nach einer möglichen Ursache. Es musste irgend ein winziger Fussel oder ein Kratzerchen auf dem Deckglas sein. Die Begutachtung des Deckglases unter einem Mikroskop brachte keinen Erfolg. Erst das sehr genaue Betrachten mit einer DSLR-Sensor-Lupe zeigte unter einen ganz bestimmten Lichteinfallswinkel ein winziges Kratzerchen auf dem Deckglas.
Eine kurze Mail an FLI mit der Beschreibung genügte, sodass ich die Kamera zur Reparatur einsenden konnte. Die Reparaturaktion hat mit Hin- und Rückversand von Haustüre zu Haustüre gerade mal 9 Tage in Anspruch genommen. Die Funktion ist nun tadellos, das Artefakt ist verschwunden.

 
Kamera und Filterrad mit Selbstbau-Off-Axis-Guider
 

Mechanische Adaption:

Auf Grund des sehr großen CCD-Sensors reichen die üblichen 2" Steckhülsen nicht mehr aus, um die Kamera samt Filterrad an den Okularauszug zu adaptieren. FLI bietet hierfür eine große Auswahl an Adaptern an.

Nicht zu unterschätzen ist das enorme Gewicht von Kamera, Guidingkamera, Filterrad und Off-Axis-Guider und der daraus resultierende lange Hebel (vorgegeben durch den Backfokus). Der Okularauszug muss also entsprechend dimensioniert sein. In Summe hängen bei meiner Konstellation über 4 kg (!) Kameraausrüstung am OAZ. Ein normaler 2" OAZ ist also völlig ungeeignet.


 
 
Auch ein Fotoobjektiv (Mamiya 200/2.8) kann an die CCD-Kamera adaptiert werden.

 

Mein persönliches Fazit:

Im praktischen Test hat sich gezeigt, dass sich meine Vorüberlegungen allesamt als richtig erwiesen haben.
Die Spezifikationen und Beschreibungen zu den Kameramodellen und Filterrädern entsprechen der Realität. Allerdings findet man zur maximal erreichbaren Kühltemperatur unterschiedliche Angaben. Temperaturen um -70°C sind nur dann zu erreichen, wenn die gesamte Kamera bei -20° Außentemperatur betrieben wird. Größere Chips werden systembedingt weniger weit heruntergekühlt, als Kleinere.
Realistisch ist es möglich, den CCD-Sensor der ML 16803 auf ca. 52°C unter die Umgebungstemperatur zu kühlen, was meiner Ansicht nach völlig ausreichend ist.

Support, Handhabung der Kamera, mechanisches Konzept, Geräuschentwicklung, Stabilität der Treiber und letztendlich die Qualität der Rohbilder lassen in meinen Augen keine Wünsche offen.




 
 

Hersteller:
-FLI Finger Lakes Instrumentation

Technische Daten:
- CCD-Sensor: Kodak KAF-16803 (monochrom) Full-Frame CCD Image Sensor
- Pixelanzahl: 4096 x 4096 (eff.) / 16.8 Mpx
- aktive Chipgröße: 36.8 x 36.8 mm (Diagonale eff. 52.1mm)
- Pixelgröße: 9 µm x 9 µm (quadratische Pixel)
- Ausleserauschen: 10.35 e- RMS bei 1 MHz (in Messprotokoll dokumentiert)
- Quanteneffizienz: ca. 61% (grün), ca. 45% (H-alpha)
- Linear Full Well : 100.000 e-
- Anti-Blooming: 100x

- Betriebsspannung: 12V
- Betriebstemperaturen:
-30°C bis +45°C
- Verschluss (mechanisch): 65 mm
- Datentiefe: 16 bit
- Datenübertragung: 8 MHz und 1 MHz (ca. 5 sec bzw. 20 sec Downloadzeit für Vollbild)
- Interface: USB 2.0
- Belichtungszeiten: ab 40 ms

Lage der Chipebene:
- 30.23 mm Chipebene zu Kamera Flansch
- 43.8 mm Chipebene zu Flansch CFW 5-7 Filterrad

Kühlung:
- 3-stufige, geregelte TEC bis -52°C unter Umgebungstemperatur
, Regelung +/- 0.1°C

Unterstützte Software:
- FLI-Grab (mitgelieferte Capture Software)
- MaxIm DL plugin
- AstroArt plugin
- CCDSOFT plugin

Größe / Gewicht:
- ca. 94 x 94 x 127 mm / ca. 1270 g

Filterrad:
- CFW 5-7 mit 7 Filterpositionen für 50 x 50 mm ungefasste Filter
- Gewicht: ca. 1800 g